Der Zweite Traversiner Steg befindet sich ungefähr 70m rheinwärts des Ersten Traversiner Steges in einem Seitental der Viamala. Südseitig des Tobels besteht das Terrain aus einer etwa 40° steilen Flanke einer Moräne, nordseitig aus einer kleineren Moräne, die auf einer senkrecht abfallenden Felswand gelagert ist. Der neue Standort ist nicht felssturzgefährdert. Angesichts dieser Topographie ist eine Hängebrücke aus einem über die beiden Kuppen gelegten und dahinter verankerten Seil mit einem angehängten Gehweg eine vernünftige Konstruktion. Ein möglichst kurzer Gehweg hat tiefere Kosten versprochen und daraus entstand die Idee, eine hängende Treppe zu bauen. Sie überwindet bei einer horizontalen Spannweite von 56m eine Höhendifferenz von 22m.
Die Einschätzung eines angemessenen Benutzerkomfortes bezüglich Tiefblick und Schwingungen an dieser ausgesetzten Lage ca. 70m über dem Bachbett gehörte zu den anspruchsvollsten Aufgaben der Projektarbeit. Die Behaglichkeit beruht auf den nachstehenden in die Planung eingeflossenen Grundsätzen:
– Die Bergwanderer können wegen der aussenliegenden Träger nicht vertikal ins Tobel hinabsehen.
– Die liegend angeordneten Geländerbretter unterstützen den Sichtschutz in die Tiefe.
– Der nach unten mit einem Radius von r=150m gebogene Gehweg vermittelt ein Gefühl der Geborgenheit.
– Die Griffigkeit der Tritte ist durch Föhrenholz und eine sägerohe Oberfläche gegeben.
– Die Schwingungen und das Schaukeln des Gehweges sind gering. Dies wird vor allem durch das Rautenfachwerk mit einem doppelten Strebenzug, die Steifigkeit der Brettschichtholzträger und die Vorspannung der Hauptseile erreicht.
Der Steg kann im Winter nicht begangen werden, weil die Zugangswege nicht passierbar und deswegen geschlossen sind.
Dauerhaftigkeit und Robustheit
Die gesamte Konstruktion besteht aus tragenden Teilen mit langer Lebensdauer bis hin zu Verschleissteilen. Grundsätzlich sind die Bauteile mit der kürzesten zu erwartenden Lebensdauer am einfachsten auszuwechseln.
Einen hohen Stellenwert ist dem konstruktiven Witterungschutz durch den Verzicht auf horizontale Flächen und Vertiefungen in den Holzbauteilen beigemessen, in denen Wasser liegen bleiben könnte. Ebenso sind die Kontaktstellen zwischen den Hölzern oder zwischen den Hölzern und den Stahlteilen minimiert und gut mit Luft umspült, damit eine gute Austrocknung möglich ist. Der Einsatz von witterungsbeständigen Materialen wie Lärche und Föhre und die Feuerverzinkung der Stahloberflächen trägt Materialseitig zu einer hohen Lebensdauer bei. In erdnahen Bereichen wurde wo immer möglich nur Stahlbeton eingesetzt.
Gegenüber den mechanischen Beanspruchungen wird durch eine massive Bauweise und den Verzicht auf empfindliche Bauteile eine hohe Robustheit erreicht. Die Abnutzung von Bauteilen beschränkt sich hauptsächlich auf die Treppentritte, die durch das Begehen verursacht wird. Ein Auswechseln der Tritte wird hier nach gegebener Zeit erforderlich sein. Bei Beschädigungen irgendwelcher Ursache werden alle Bauteile mit mehr oder weniger Aufwand auswechselbar sein.
Die Baustelle konnte lediglich durch den Wanderweg erschlossen werden und hat dadurch einen Einfluss auf die Gestaltung der Tragkonstruktion, die Materialisierung, die Bauzeit und auch auf die Kosten ausgeübt.
Mit dem Einsatz einer temporären Materialseilbahn in der Stegachse konnten gute Bauvoraussetzungen geschaffen werden.
Die Tragkonstruktion des Zweiten Traversiner Steges besteht aus einem vorgespannten Seilfachwerk, das in zwei vertikalen Ebenen angeordnet ist. Die Form des Rautenfachwerkes führt unter maximaler Belastung (Schnee) zu einer konstanten Kraft in den Hauptseilen. Die Geometrie der Seile wurde mit den Methoden der grafischen Statik bestimmt.
An allen drei Widerlagerstandorten liegt verdichtetes, gut abbaubares Moränenkies vor, das mit einer dünnen Waldbodenschicht überdeckt ist. Der Kies ist mit Findlingen durchsetzt, die teilweise abgebaut werden mussten.
Je zwei massige Stützen auf den Moränenkuppen verankern die Hauptseile und tragen über eine starke Bodenplatte die vertikalen Auflagerreaktionen ins Erdreich ab. Die schräg nach unten gerichteten hohen Zugkräfte werden über zwei robuste Streben in den hinteren Teil der Widerlager weitergeleitet, die als Gegengewicht wirken. Auf der Südseite ist dazu eine Bodenplatte mit Erde überschüttetet, auf der Nordseite ein ca. 60t schwerer Findling mit Bewehrung und Beton ummantelt.
Das Widerlager am unteren Ende des Gehweges hat nur Druckkräfte zu verteilen und in den Baugrund abzuleiten. Daher ist es wesentlich leichter gebaut.
Fachwerkkonstruktion mit Drahtseilen
Die beiden Hauptseile sind Spiralseile mit aufgepressten Gabelköpfen, die durch die Öffnungen in den Betonstützen eingefahren worden sind. Rückwärtig sind die Gabelköpfe mit Kopfplatten durch einen Bolzen verbunden und je nach Vorspannkraft mit 10mm starken Stahlschiftplatten unterlegt.
Die Spiralseile sind oben mit zweiteiligen Seilklemmen an den Hauptseilen befestigt. An ihrem unteren Ende sind sie mit einem Gabelspannkopf zur Befestigung am Gehweg ausgerüstet.
Gehweg-Tragkonstruktion in Holz und Stahl
Im Abstand von 3.60m sind Querträger aus einem HEA 120-Profil angeordnet, an denen die Hängeseile befestigt sind. An diesen Trägern sind auch Anschlussbleche für die Diagonalstäbe des Windverbandes und die Bohrungen für die Verschraubung der Geländerpfosten vorhanden.
Auf den Querträgern sind die zehn parallel geführten Brettschichtholzträger 140/220mm aus Lärchenholz mit Bauschrauben und Halbringdübeln befestigt. Der Stoss dieser Träger besteht aus eingeschlitzten Blechen, Stabdübeln und einer Montageschraube.
Am Widerlager im Tiefpunkt werden die hohen Druckkräfte über einen «Stahlstempel», der in die Brettschichtholzstirne eingelassen ist, in die Fundation abgeleitet. Im Hochpunkt Nord sind zum gleichen Zweck Eichenschifthölzer zum Massausgleich eingesetzt worden. Die horizontalen Auflagerreaktionen werden über den mit dem Widerlager verschraubten Stahl-Querträger in die Fundation geleitet.
Die Aufgaben der Brettschichtholzträger sind vielfältig: Erstens verteilen sie durch ihre Steifigkeit die punktuellen Einzellasten, zweitens sind sie die druckbelasteten Untergurten der Seilfachwerke. Drittens bilden Sie zusammen mit den Querträgern und Zugstäben unter dem Gehweg einen Windverband zur Stabilisierung und viertens verhindern sie den Blick in die Tiefe und erhöhen dadurch in wesentlichem Masse die Behaglichkeit.
Ein im Trittprofil ausgeschnittenes Lärchenbrettschichtholz ist als «Aufsattlungsholz» auf den mittleren zwei Trägern aufgeschraubt. Darauf sind die Tritte aus Föhrenkernholz befestigt, die aus zwei Stahlblechstreifen und einzeln aufgeschraubten Trittbrettern bestehen. Die Treppe weist ein Steigungsverhältnis von 580 bis 590mm auf und die Steigungen werden von unten nach oben immer höher, die Auftritte dementsprechend schmäler.
Die Geländerstützen aus verschweissten Flachblechen sind radial auf jedem Querträger angeschraubt. Die sägerohen Geländerbretter aus Föhrenkernholz von 30/80mm sind zwischen die Geländerstützen eingesetzt und werden über die 3.60m Länge durch zwei Stahlstäbe in die Kreisbahn gezwungen. Der Handlauf hat die gleiche Abmessung, ist aber gehobelt und an seiner Unterseite ist ein Stahlblechstreifen eingelassen, der von der einen Geländerstütze bis zur nächsten die horizontale Belastung des Geländers aufnehmen kann.